Bild & Text

Das Ereignis

image1

Kernkraftwerk Flamanville

Was es war, genau war.
Wir werden es nie wissen.
Was war der Auslöser,
Wo die Schuld,
Wer Held,
Wer Feigling…
Wir werden es nie wissen.
Wir haben versucht, das Unerfahrbare zu erkennen.
haben versucht, uns Urkräfte nutzbar zu machen,
versuchten den Tiger zu reiten,
Stürzten hinab…

Befolgen Sie diese Anweisungen und treffen Sie folgende Vorkehrungen!
Diese Anweisungen und Vorkehrungen dienen ihrer eigenen…

[BBC] audio Einsatz

Bleiben Sie in ihren Behausungen – wir blieben in unseren Behausungen.
Versiegeln Sie Fenster und Türen – wir versiegelten Fenster und Türen.
Lagern so viel Wasser und Nahrungsmittel ein wie möglich – das taten wir.
Und nun – nun warten wir…


Der Bunker meines besten Freundes

image3

Altes Schild / Cap de la Hague (Nähe Wiederaufbereitungsanlage)

Als der Vater meines besten Freundes
deren Haus bauen ließ,
es lag ungefähr einen Kilometer von unserer Doppelhaushälfte entfernt,
ließ er im Fundament zunächst einen ABC-Schutzraum errichten;
Aus Steuerspaargründen, wie gemunkelt wurde.

Als Kinder spielten wir dort unten oft verstecken.
Später schauten wir uns Pornomagazine an
Oder entwickelten unsere eigenen Pseudo-Experimente –
deren Hauptbestandteile, farbige und vor allem brennbare Flüssigkeiten
führten meist zu den gewünschten Flammen und Explosionen.

Es war ein neuer Höhepunkt dieses lauwarmen Krieges,
NATO Doppelbeschluss,
SS 20 und Pershing II,
Wasserwerfer, Zäune, all solche Sachen.
Ich war gerade zwölf geworden, dieses Jahr,
„Wargames“ und „The Day After“ kamen in die Kinos,
meine Ängste waren ganz und gar heim-lich.
Ich entschied mich, letzteren Film zu ignorieren und ersteren zu imitieren…
Auch ich würde einer dieser Hacker sein,
der die Welt vor dem sicher geglaubten Nuklearen Holocaust bewahrt.

 

Siouville Hague, Spielplatz (Nähe AKW)

Was aber, wenn eine Atombombe auf die nächstgelegene Stadt fiel?
Würde ich Zuflucht finden im Bunker (wie wir den Schutzraum zu nennen pflegten)?
Ich würde es sowieso nicht  innerhalb der 4 Minuten Warnzeit schaffen,
höhnte mein Freund…

Ich war ein ein speckiger, unsportlicher Junge, wenn Sie verstehen, was ich meine.
Den Rest des Jahres verbrachte ich damit,
schneller und schneller zu gehen,
wenn ich meinem Freund den täglichen Besuch abstattete,
aber nie zu laufen.
Dies verbot mir meine Ehre – wohlgemerkt.
Ich habe es nie innerhalb der 4 Minuten geschafft..
Sie müssen wissen: es ging einen steilen Hügel hinauf…

image7

Atom-U-Boot-Werft, Cherbourg

Incandescent Iridescence

(Glühendes Schillern)

image6

Siouville Hague, Strand (Nähe AKW)

Ich habe einen wiederkehrenden Traum:
Ich stehe in einer offenen Landschaft,
es ist Nacht,
die Luft ist kühl, eine sanfte Brise streichelt meine Haut.
Plötzlich: ein helles Blitzlicht in der Ferne,
Ich sehe es, ja ich kann es fühlen, spüre ein stetig zunehmende Wärme.
Um mich herum: vollkommene Stille.

In nicht allzu weiter Entfernung bildet sich eine Wolke, pilzförmig.
Sie erhebt sich majestätisch in den nächtlichen Himmel.
Als ich an mir herab sehe
bemerke ich wie die Hitze
mein eigenes Körperfett aus mir heraus schmilzt
in großen Tropfen rinnt es an meiner Haut herunter…
Ich werde bei lebendigem Leibe gesotten.

Ich fühle die Hitze – aber keinen Schmerz.
Und es gibt keine Schockwelle,
Niemals.


Schmutzige Funkfrequenzen

Schmutzige Funkfrequenzen,
befremdliche Strahlung,
geisterhaft, aus einem anderen Raum in der Zeit,
Klicks und Schnitte,
Stimmen aus der Vergangenheit und Stimmen aus der Zukunft,
vernichtet, strahlend, hoffnungslos!

Paranoia-Schnipsel hier und da,
missverstehe den Code
und du bist nur ein weiterer Psychopath.

image9

Siouville Hague, Bucht (WAA im Hihtergrund)

Dort auf EAM höre
SkyKing, SkyKing, dreimal Skyking,
und du sollst gerettet sein.
Du sollst der Verdammnis entgehen.
Du sollst das heilige Jenseits schauen,
der Menschheit neu gefundenes Gleichgewicht mit der verbliebenen Welt.

Höre das Ticken der Halbzeituhr,
tickt die Strahlenbelastung,
um den Faktor zehn alle sieben Stunden.
Nie die Null zu erreichen,
wie Achilles und seine Schildkröte.

Siouville Hague, Bucht (Nähe AKW)

So oder so, die Abrechnung wird bald kommen.
Menschen haben bewiesen, dass ihnen Langeweile
Grund genug ist für Apokalypse.

Heil dem kommenden Sturm,
Es wird eine Reinigung sein.
Es wasche all unseren Frevel ab,

Dann können wir uns mit neu gestalteter Schande eindecken
Sündenmode, sozusagen.
Abgeschieden,
Hikikomori
Verbringe mein Zeit masturbierend,
lausche 8992MHz

möchte den genauen Zeitpunkt nicht verpassen – um nichts in der Welt
Wenn es beginnt,
weiß ich was zu tun ist.
In bin vorbereitet.
Ich werde der neue Samen sein.
In dieser neuen Weltordnung.


Bgr.RADIATION – Hintergrundstrahlung

image10

Goury, Cap de la Hague (Nähe WAA)

Dieser Puls.
Diese elektromagnetische Welle,
sie trifft mich, wieder und wieder.
Elementarteilchen verfallen – zerfallen.
In einem letzten heroischen Akt
ejakulieren sie seltsame Stoffe,
ionisierte Samen der Zerstörung,

Strahlen reiner, blendender Energie.
Wir können sie weder riechen noch sehen – so heißt es,
Doch lauschen wir den Berichten,
dem sei nicht so!

Schmecken können wir sie,
sie hinterlassen einen metallischen Geschmack in unseren Mündern,
schauen Alpha- und Beta-Teilchen,
wirbelnd in unseren Augäpfeln,
hinter unseren geschlossenen Liedern.
Ihre lila schimmernde Entladung
in glühenden Wolken sehen.
Mal grünlich, mal gelblich
So heißt es….

image11

Kernkraftwerk Flamanville

Aus Tag wird Nacht und aus der Nacht ein Tag.
Hinterlassen sie Panoramen der Ödnis und Vernichtung
Wo wilde Wölfe wieder frei umherschweifen.

Ein Unfall sei es gewesen – es habe Versäumnisse gegeben.
Die Blätter verrotten nicht, so heißt es.
Der Wind bläst Vishnus glühenden Geist über die Lande.
Wehe wenn der Sommer des Feuers kommt.

Bis dahin lauern wir der kleineren Katastrophe auf,
Eine, die wir begrenzen können.
Eine, die wir verstehen können.
Stochastische Logik kann nicht begriffen werden.
Es gibt keine Bedeutung im Zufall.
Es wird immer einen schwarzen Schwan geben.

Ich verbringe meine Sommer in einem malerischen Herrenhaus,
welches in Teilen aus dem 16. Jahrhundert stammt.
Es ist ein wunderschöner Ort.
Drei Nuklearanlagen umringen diese Heimstatt,
sie sind nur einen Steinwurf entfernt…

Bis zu diesem Tage, so heißt es,
übersteige die Hintergrundstrahlung bei weitem
die der Anlagen selbst.
Schließlich, so heißt es,
bestünden die Mauern aus Granit.


L’Anse de Vauville

(Die Bucht von Vauville)

image13

Siouville Hague (zwischen AKW & WAA)

Ich wuchs in der Nähe eines Strandes auf,
wir verbrachten ausgedehnte Sommer dort,
inmitten einer sieben Kilometer langen Bucht,
gab es dort eine Handvoll von ihnen,
einige besser zugänglich als andere.

Im Hinterland der Strände lag ein Dünenmassiv,
welches wohl aus der letzten Eiszeit stammt,
Zum Teil Truppenübungsplatz, zum Teil Naturschutzgebiet.

Als Kind verbrachte ich ganze Nachmittage damit,
diese weite Landschaft zu durchstreifen,
leere Hülsen und Patronengürtel zu Sammeln,
sie um meine Brust zu werfen wie Pancho Villa.

Dort, zwischen alten Weltkrieg-Zwei Panzerwracks,
die für militärischen Zielübungen herhalten mussten.
Ich spielte Soldat – fühlte mich frei.

An beiden Enden der Bucht lagen zwei Atomanlagen.
Im Norden ein Wiederaufbereitungsanlage.
Im Süden, ein Kernkraftwerk mit damals zwei Blöcken.

Ich hatte eine sehr glückliche Kindheit.
Ich war der jüngste in einer Reihe von Cousins,
alle kulturell interessiert, einer von ihnen begleitete mich in Alien, ich war 9,
aber auch Kurosawa, Hopper und Bruce Lee.

So gingen wir jeden Sommer, meine ganze Familie, zu besagten Stränden,
Blieben dort von mittags bis zur einsetzenden Kälte.
Zogen uns dann zurück zum Hause meiner Tante, um zu essen,
zu trinken und zu diskutieren.

Wie viele Kinder genoss ich es beim Klang
der sich überlagernden Gespräche einzuschlafen,

Es war ein Gefühl der Sicherheit, mein Zuhause.

image14

Siouville Hague (WAA)

Ich erinnere mich auch daran, den zweiten Reaktor
vor seine Bestückung mit meinem Vater zu besuchen.
Wir waren beeindruckt,
es war als ahnten wir die bevorstehende Gefahr,
doch wir fühlten uns an einem gänzlich anderen Ort,
fast schon ein anderes Land.
Dies war nicht das linke Ende unseres liebsten Urlaubsortes,
dies war Techno-Land.

Jetzt bauen sie Block drei.
Und als wir dort wieder zu Besuch waren,
wurden wir in einen bunten Raum geschleust,
mit einem aufgebauten Miniaturmodell Reaktor.
Daran Tasten, die man drücken konnte,
Teile des Modells leuchteten auf
und erläuterten die Funktionsweise derartiger Maschinen.

Oberhalb dessen: ein Plakat mit sanftmütigen Delfinen,
am Kraftwerk vorbei schwimmend,
lächelnd – Delfine lächeln immer.
Wenigstens scheint es so…

Draußen, vor dem Fenster dieses farbenfrohen Infohäuschens
war die Aussicht weniger romantisch.
In einiger Entfernung konnte man die Kuppel der Blöcke im Nebel ausmachen.
Verschiedene Schattierungen von betongrau,
anonym, unheimlich…

Um diese Anlage in den späten siebziger Jahren zu bauen,
hatten sie ein ganzes Cap ausradiert.
Es war eines der schönsten in der ganzen Region,
hatte meine Mutter mir erzählt.
Jetzt war es verschwunden, getilgt,
Nachdem es vermutlich für Millionen von Jahren dort gestanden hatte.

image15

 Wiederaufarbeitungsanlage La Hague

Die andere Seite der Bucht ist eine ganz andere Geschichte.
In den sechziger Jahren von der Französischen Regierung als Anreicherungsanlage erbaut
als Grundpfeiler ihrer neu konzipierten Force de Frappe,
war es veraltet noch bevor es fertig gebaut worden war,
und wurde zur Wiederaufbereitungsanlage umgewidmet,
Ihre eigene Brut von Mischoxidreaktoren zeugend.

Sie machte nie einen Cent Gewinn, platze bald aus allen Nähten
mit riesigen Mengen an nationalem und internationalem Material,
welches darauf wartete, behandelt zu werden…
Als sie es nicht mehr zu bewältigen vermochten,
gruben sie in ihrem Hinterhof ein großes Loch,
warfen es dort hinein und deckten es zu mit Erde.

image16

Wiederaufbereitungsanlage La Hague

Wenn Sie sich von dieser Landschaft ein Bild machen wollen,
stellen Sie sich Irland vor.
Es ist ein regnerischer Ort,
ich glaube die Leute dort haben mehr Namen für Regen als Inuits für Schnee.

Später, als sie das erkannt hatten,
bedeckten sie das Ganze mit Plastikplanen,
und gossen schließlich so viel Beton darüber,
wie sie beschaffen konnten…

Sie können dort selbst einmal hingehen
und die Website besuchen.
Sich Mut machen, sich selbst ein Bild
von der Beherrschbarkeit
der Sache
.

Wir gehen immer noch an diesen Ort während der Sommermonate;
die Bucht, die Dünen, die Strände,
nichts hat sich verändert in so vielen Jahren.

image17

Anse de Vauville / Siouville Hague (Nähe AKW)

Ich nehme jetzt meinen Sohn dorthin mit. Wir sitzen da, im glühenden Glanz der Fabrikanlagen,
Nachts leuchten sie.
Wie ein Leuchtfeuer – in die Zeit hinein.
Und wir fragen uns:
Wird er, mein Sohn,
seine Kinder ebenfalls hierher führen?